Die Aurora IV setzte auf den Marsboden auf, ohne dass jemand es kommentierte. Das rhythmische Dröhnen der Düsentriebwerke verklang zu einem tiefen, vibrierenden Nachhall, der sich in den metallenen Landestreben verlor. Das Cockpit blieb stumm, das Kontrollpanel blinkte in mattem Orange, die Anzeigen stabil. Es war eine perfekte Landung, gemessen an den Protokollen. Und doch fühlte sich nichts daran richtig an. Die Stille war zu vollständig, die Umgebung zu leer, und die Marsluft – obwohl sie durch dickes Glas drang – roch nach Erwartung. Nicht im physikalischen Sinn, sondern im Gefühl. Als sei da etwas, das bereit lag. Seit Jahren vielleicht. Oder seit Jahrhunderten.
Dr. Alina Vargen trat als Erste aus der Landungsschleuse. Die äußere Plattform der Station Eidolon empfing sie mit einem Gemisch aus Rost, Frost und Staub – einem Geruch, der in Wahrheit keiner war, aber im Innersten ihres Gehirns trotzdem als etwas Altbekanntes auftauchte. Wie der Geruch alter Bücher oder verlassener Wohnungen. Sie atmete flach durch die Filtermaske, registrierte die Dichte der Atmosphäre, den Zustand des Bodens, die Spannung in ihrem Nacken. Der Sand war nicht weich. Er war hartgepresst, als hätte ihn niemand gestört. Nicht durch Wind. Nicht durch Zeit. Es war der Mars, der nicht verwitterte. Nur vergab.
Die Station vor ihr war kleiner, als sie es von den Archivbildern erwartet hatte. Ein zentraler Komplex mit zwei Auslegern, von außen kaum unterscheidbar von den umgebenden Felsformationen. Die Struktur war modular, funktional – keine Anzeichen von Zerstörung oder Einsturz. Kein Rauch, keine äußeren Schäden. Und doch wirkte sie leerer, als es eine verlassene Station je sein sollte. Keine Schleifspuren von Fahrzeugen, keine Fußabdrücke. Keine temporären Lagerstätten oder behelfsmäßig errichteten Notkonstruktionen. Nichts.
Hinter Alina trat Lieutenant Roche auf die Plattform. Sein Blick war sofort aktiv, glitt über die Umgebung mit der Effizienz eines Mannes, der gelernt hatte, in Sekunden zwischen normal und gefährlich zu unterscheiden. Seine rechte Hand lag locker auf dem Sicherungsgriff seines Schockgewehrs. Nicht angespannt, aber bereit. Er sagte nichts, doch sein Blick streifte kurz Alina, dann die verschlossene Außenschleuse der Station. Als wäre alles, was man wissen musste, dort zu finden.
Als Nächstes folgte Professor Hideo Okabe. In der einen Hand hielt er sein modulares Datendeck, in der anderen eine kleine, stoßfeste Konsole, aus der Kabel baumelten. Er wirkte weniger an der Umgebung interessiert als an den Energieflüssen unter seinen Fingern. Seine Lippen bewegten sich unhörbar, eine Eigenart, die Alina kannte – er sprach mit sich selbst, eine Art inneres Kalibrieren seines Denkens.
Zuletzt schwebte INNA aus dem Bauch des Schiffs, lautlos, beinahe zu geschmeidig für ein System, das aus Projektionen und mechanischen Gelenken bestand. Ihre Form war humanoid, doch ohne die kleinen Asymmetrien, die den Menschen ausmachen. Zu glatt, zu ruhig. Ihre Sensorfelder waren aktiviert, aber sie ließ keine Emotion erkennen. Nur Präsenz.
Die vier standen nun in Sichtweite des Eingangs. Die äußere Schleuse war intakt, kein Riss, keine Korrosion, nur eine dicke Schicht Staub, die sich nicht einmal durch die Luftverdrängung des Landers gelöst hatte. INNA trat als Erste an das Bedienfeld. Ihre Finger – oder das, was an ihrer Projektion als solche erschien – glitten über das Terminal. Keine Reaktion.
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